Interner Link Aktuelles

Bericht über den IWW-Kongress "Praxis Ärzteberatung" am 09.03.2007 in Düsseldorf

1. Vortrag: Wachstumsmarkt Gesundheit

Prof. Dr. Günter Neubauer, der die mit rund 200 Teilnehmern ausgebuchte Veranstaltung souverän moderierte, eröffnete den Kongress mit einem volkswirtschaftlichen Vortrag.

Obwohl der Gesundheitsmarkt sowohl in kurzfristiger als auch in langfristiger Perspektive aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung und der medizinischen Innovationen alle Merkmale eines Wachstumsmarktes trägt, kommen diese positiven Impulse beim einzelnen Arzt nicht an. Diese Diskrepanz lässt sich durch die bekannten, erheblichen Probleme auf der Finanzierungsseite erklären, die sich in Zukunft noch verstärken werden, da bei gleichzeitigem Bevölkerungsrückgang die Gruppe der über 60-Jährigen (die Leistungen in Anspruch nimmt, aber nicht mehr selbst finanziert) immer größer wird

Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Brutto-Inlandsprodukt wird von 10,9% im Jahr 2001 auf voraussichtlich 35,3% im Jahr 2040 ansteigen. Um dies finanzieren zu können, werden passend zu den "Wahl-Zyklen" weitere Umstrukturierungen in Form von Gesundheitsreformen auf uns zukommen (wobei wahrscheinlich die Organisationsform GKV und PKV sich vom "2-Säulen-Modell" über den jetzt beschlossenen "Basistarif der PKV" in Zukunft zum "3-Schichtenmodell" wandeln wird: Basisversorgung / Freiwillige Zusatzabsicherung / Selbstzahler (mit entsprechenden Regulierungen für den Arzt in der "Schicht der Basisversorgung").

2. Vortrag: Basics und aktuelle Reformen im Gesundheitsrecht

Der Anknüpfungspunkt "Gesundheitsreformen" führte nahtlos zum nächsten Vortrag von
RA Peter Peikert, der wie einige andere der Referenten aufgrund der vorgegebenen Redezeit nur Auszüge seiner im Tagungsband veröffentlichten, ausführlichen Unterlagen vortrug.

An dieser Stelle sei nur exemplarisch auf einige Änderungen bzw. Fragestellungen, die sich durch die aktuellen Gesetzesänderungen ergeben, eingegangen.

Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) hat -verkürzt zusammengefasst- folgende Auswirkungen auf das vertragsärztliche Vergütungssystem, das ab 01.01.2009 in Kraft treten soll: Der Grundsatz der Beitragsstabilität für die Gesamtvergütungsverhandlungen wird aufgehoben, damit soll das Morbiditätsrisiko, das z.Zt. noch hauptsächlich bei den Ärzten liegt, in den Folgejahren zumindest teilweise auf die Krankenkassen zurückverlagert werden. Es wird eine "Euro-Gebührenordnung" eingeführt, die den bisherigen EBM, der auf schwankenden Punktwerten basiert, ablöst. Zur Kosten- und Mengensteuerung sowie zum Abbau von Unter- und Überversorgung werden verschiedene Anreizmechanismen in der Gebührenordnung eingeführt. Für besonders qualifizierte Leistungen soll es Honorarzuschläge geben.

Im Zusammenhang mit der sogenannten "Teilzulassung", die es seit Inkrafttreten des § 19a der Ärzte-Zulassungsverordnung dem zugelassenen Vertragsarzt ermöglicht, seinen Versorgungsauftrag um die Hälfte zu reduzieren, ist noch ungeklärt bzw. im Gesetz nicht geregelt, was mit dem verbleibenden, hälftigen Versorgungsauftrag geschehen soll: kann dieser zum Ruhen gebracht oder übertragen werden (falls ja, ohne Nachfolgeverfahren oder analog zu § 103 Abs. 4 SGB V)?

Hinsichtlich der gesetzlich verankerten Versorgungsformen bringt das GKV-WSG -im Gegensatz zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG)- sowohl mit der "Hausarztzentrierten Versorgung" (§ 73b SGB V n.F.) als auch mit der "Besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung (§73c SGB V n.F.) zwei Neuerungen; wobei der Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit der Hausarztzentrierten Versorgung für die Krankenkassen verpflichtend ist. Beide Versorgungsformen sollen den Versorgungswettbewerb fördern und letztlich durch das Herausbrechen von Umsatzanteilen an der Gesamtvergütung die Position der ärztlichen Selbstverwaltung schwächen.

Abschließend wurde noch auf die neue Einführung der Vorschrift des § 77 a SGB V n.F. hingewiesen, die es sowohl den Kassenärztlichen Vereinigungen als auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ermöglicht, Dienstleistungsgesellschaften zu gründen (z.B. Beratung in Fragen der Datenverarbeitung, in allen wirtschaftlichen Fragen, die die Vertragsärzte betreffen, oder auch die Übernahme von Verwaltungsaufgaben für Praxisnetze).

3. Vortrag: Ärztliche Kooperationen auf dem Prüfstand

Aktuelle Änderungen im Gesundheitsrecht durch das VÄndG zum 01.01.2007 waren Schwerpunkt des Vortrages von RA Lars Lindenau, der zu Beginn auf die umfangreiche Literaturliste im Tagungsband hinwies. Mit dem VÄndG stellt der Gesetzgeber die Vertragsärzte weitgehend mit den MVZs gleich, indem er ihnen durch die mögliche (unbegrenzte) Anstellung von Ärzten eine Vielzahl von interessanten Kooperationsmöglichkeiten erlaubt. Diese können im offenen oder gesperrten Planungsbereich, am Vertragsarztsitz oder an weiteren Orten sowie innerhalb oder außerhalb des Bezirkes einer KV erfolgen. Natürlich müssen hierbei eine ganze Reihe weiterer Vorschriften mitbeachtet werden: z.B. können im gesperrten Planungsbereich im Gegensatz zum offenen nur fachgebietsidentische Ärzte eingestellt werden und es muss eine Leistungsbeschränkung des Vertragsarztes beachtet werden (§§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr.5, 95 Abs. 9 Satz 2 SGB V). Die "unbegrenzte" Anzahl anzustellender Ärzte wird aller Voraussicht nach auf drei begrenzt werden (so sieht es zumindest ein Entwurf des Bundesmantelvertrages vor). Wie beim MVZ kann der Vertragsarzt seine Zulassung in ein Angestelltenverhältnis "umwandeln" (Personenidentität vom verzichtenden und anzustellenden Arzt ist notwendig).

Entscheidet sich ein Arzt nicht für ein Angestelltenverhältnis, sondern für die Zusammenarbeit mit einem Kollegen, so verwendet der Gesetzgeber nun nicht mehr den Begriff der "Gemeinschaftspraxis", sondern den der "Berufsausübungsgemeinschaft" (BAG, § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV). Hierbei wird zwischen örtlichen BAGs (gemeinsamer Vertragsarztsitz - wie die bisherige Gemeinschaftspraxis) und überörtlichen BAGs (unterschiedliche Vertragsarztsitze) unterschieden (siehe hierzu u.a. auch §24 Ärzte-ZV). Auch eine gemeinsame Berufsausübung, die sich nur auf einzelne Leistungen bezieht ist gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 Ärzte-ZV möglich; aber man beachte: § 31 MBO-Ä, es gilt weiterhin das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt.

Ab dem 01.01.2007 ist es für MVZs nicht mehr möglich Vertragsarztsitze "neu zu generieren" (§ 103 Abs. 4a Satz 4 a.E. SGB V). Es gilt allerdings noch ein Bestandsschutz bis zum 31.12.2006.

Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass in Zukunft genauestens darauf geachtet werden muss, ob es sich bei den Ärzten um "Gesellschafter" bzw. gleichberechtigte Partner oder um Angestellte handelt (u .a. wegen der nicht unerheblichen steuerrechtlichen Auswirkungen).

4. Vortrag: Aktuelle steuerliche Brennpunkte bei Ärzten

Trotz der umfassenden Liberalisierungen der letzten Jahre und des damit einhergehenden erhöhten Beratungsbedarfes, erinnerte Ra/StB Felix Martin in seinem Vortrag daran, das Tagesgeschäft einer Steuerberaterpraxis nicht aus den Augen zu verlieren, da hier die Mandanten durch eine handwerklich solide Beratung viel Geld sparen können.

Beispielhaft wurde u.a. aufgezeigt, dass durch die Wahl der Bilanzierung im Erstjahr der Praxisneugründung mit Übergang zur Einnahmenüberschussrechnung im 2. Jahr im Vergleich zur Einnahmenüberschussrechnung im 1. und 2. Jahr erhebliche Steuerbeträge gespart werden können. Allerdings muss hierbei gemäß BFH-Urteil vom 02.03.2006, IV-R-32/04 darauf geachtet werden, dass eine Eröffnungsbilanz zeitnah erstellt wird, eine ordnungsgemäße Buchführung eingerichtet ist und aufgrund von Bestandsaufnahmen ein ordnungsgemäßer Abschluss gemacht werden kann. Im Übrigen kann festgehalten werden, dass die "erstmalige" Wahl der Gewinnermittlung im Jahr der Praxiseröffnung kein "Wechsel der Gewinnermittlungsart" ist. (Gemäß H 4.6 EStR ist der Steuerpflichtige nach einem Wechsel der Gewinnermittlungsart grundsätzlich drei Jahre an diese Wahl gebunden.)

Im Zusammenhang mit der gerne genutzten Möglichkeit der Ansparrücklage gem. § 7g Abs. 3 EStG wies der Vortragende im Hinblick auf die anstehende Unternehmenssteuerreform in 2008 auf einen Referentenentwurf vom 05.02.07 hin: danach soll die Gewinngrenze bei 100.000 € festgesetzt werden; bei Nichtinvestition soll die Ansparrücklage im Jahr der Bildung rückgängig gemacht werden (!) und die Sonderregelungen für Existenzgründer sollen wegfallen.

Droht bei der Anstellung von (Zahn-)Ärzten Gewerbesteuer? Hierzu hat das FG des Landes Sachsen-Anhalt zwei gegensätzliche Urteile gefällt (beide vom 24.08.2006): im ersten (Az 1-K-982/03) führte die nicht überwachte, angestellte Ärztin zur Gewerbesteuerpflicht und im zweiten wurde ausgeführt, dass der angestellte Zahnarzt steuerlich unschädlich bleibt, solange der Praxisinhaber Bezugsperson für die Patienten bleibt (Az. 1-K-30035/02).

Podiumsdiskussion der Referenten unter Beteiligung des Plenums

Auszugsweise seien die folgenden drei Fragen aus der mit reger Anteilnahme geführten Podiumsdiskussion angeführt:

"Wird die GmbH unter Berücksichtigung der geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen und im Hinblick auf die ausstehende Unternehmenssteuerreform mit den niedrigeren Besteuerungssätzen (ca. 30%) die Rechtsform der Zukunft für ärztliche Kooperationen?" Die einhellige Meinung der Experten verneinte eine übergeordnete, zukünftige Rolle der Ärzte-GmbH (die GbR sowie die Partnerschaftsgesellschaft erfreue sich höherer Akzeptanz und der Arzt im allgemeinen sei mit der steuerlichen Problematik einer GmbH überfordert).

"Die Zulassungsbeschränkungen für Zahnärzte werden ab dem 01.04.07 entfallen; die Bedarfsplanung für Ärzte wird vermutlich in 3-4 Jahren ebenfalls folgen - welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf den Praxiswert?" Die Entwicklung der Praxiswerte muss auch in Zukunft differenziert betrachtet werden: es wird weiterhin einen "Markt" für Praxen geben, aber nicht alle Praxen werden veräußerbar sein und aller Voraussicht nach wird sich der Trend hin zu Kooperationen fortsetzen (ein sinkender Wert für Einzelpraxen ist zu befürchten).

"Steuerliche Abschreibung der Zulassung (OFD Koblenz Verfügung vom 12.12.2005) - Gegenargumente?" Aus dem Vortrag/Skript von RA Lars Lindenau: Die vertragsärztliche Zulassung ist kein steuerliches Wirtschaftsgut, ist nicht zivilrechtlich disponibel und nicht selbstständig bewertbar (siehe u. a. auch BSG - Urteil vom 10.05.2000, Az. B 6 Ka 67/89 R, nach dem die vertragsärztliche Zulassung kein Wirtschaftsgut ist, das separat veräußerbar ist). Die Parallele zur Güterverkehrsgenehmigung trifft nicht zu, da der öffentlich-rechtliche Charakter der Zulassung nicht vergleichbar ist. Eine Parallele zur Arzneimittelzulassung hätte näher gelegen.

Nach der Mittagspause konnten unterschiedliche Praktikerforen besucht werden:

Forum 1: Praxisbewertung im Wandel

Der (öffentlich bestellte und vereidigte) Sachverständige Walter Isringhaus führte anhand einer KBV-Statistik vor Augen, dass in den nächsten 5 Jahren ca. 30.000 Vertragsärzte aus dem Berufsleben ausscheiden und nur ca. 20.000 nachfolgen werden, d.h. dass es in den nächsten Jahren einen "Käufermarkt" für Arztpraxen geben wird. Im folgenden wurden exemplarisch die Vor- und Nachteile dreier unterschiedlicher Bewertungsverfahren, die bei der Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen herangezogen werden, dargestellt: die Ärztekammermethode, die IBT("Indexierte Basis-Teilwert")-Methode sowie die Modifizierte Ertragswertmethode, die z.Zt. von 8 der 14 ö.b.u.v. Sachverständigen für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen angewandt wird. Dies erklärt sich daraus, dass sie wissenschaftlich fundiert ist und im Gegensatz zu vielen anderen Methoden zukunftsorientiert und nicht rein vergangenheitsorientiert arbeitet. Dabei bilden auch hier bereinigte Vergangenheitswerte die Basis, um zukunftsorientierte Überschüsse zu ermitteln und darauf fußend einen adäquaten Praxiswert zu berechnen. Der Referent ging des weiteren auf die unterschiedlichen Funktionen eines Gutachters bzw. Sachverständigen ein: Beratungsfunktion (Ermittlung eines subjektiven Entscheidungswertes), Schiedsgutachterfunktion (Schiedswert) und Funktion des neutralen Gutachters (objektivierter Wert). Abschließend wurde auf den Sonderfall der Praxisbewertung im Zugewinnausgleichsverfahren hingewiesen (notwendige Berücksichtigung von Forderungen, Verbindlichkeiten und Steuern) und in diesem Zusammenhang auf das Aufsehen erregende Urteil des OLG Oldenburg 4 UF 92/05 (entweder Zugewinn aus dem Praxiswert oder Unterhaltszahlungen aus dem Praxisgewinn, aber nicht beides zusammen).

Forum 2: Vertragsarztrecht: Typische Gestaltungen und Vertragsmuster

RA Peter Peikert ging es darum, Besonderheiten bei der vertraglichen Gestaltung im Rahmen der Übernahme bzw. Abgabe einer Arztpraxis sowie der Gründung von Gemeinschafts- und Teilgemeinschaftspraxen herauszuarbeiten. Es wurden hierbei keine Vertragsmuster an die Hand gegeben, sondern Punkte und Klauseln besprochen, die beachtet und -je nach Sachverhaltslage- mit Leben gefüllt werden müssen. Grundsätzlich ist hierbei zu differenzieren zwischen der zivilrechtlichen Gestaltung des Kaufvertrages und der öffentlich-rechtlichen Vergabe der Zulassung. Auch hier ist wieder klar zu unterscheiden, ob es sich um ein gesperrtes oder nicht gesperrtes Gebiet handelt (neu nach VÄndG ist die Möglichkeit, auch "nur" eine Teilzulassung abzugeben). Im Folgenden wurde kurz das Ausschreibungsverfahren, das den KV-en obliegt, sowie das Zulassungsverfahren vor den Zulassungsgremien besprochen. Da den Zulassungsausschüssen bei mehreren Bewerbern ein Beurteilungsspielraum zusteht, ist es zu überlegen, ob man in einem Kaufvertrag Rücktrittsrechte sowohl für den Abgeber als auch den Übernehmer vereinbaren sollte. Der Referent ging nun noch auf einige Besonderheiten bei Gründung einer Gemeinschaftspraxis ein: so werden die in früheren Jahren von den Zulassungsausschüssen als problematisch eingestuften "Null-Beteiligungsgesellschaften" und der Ausschluss von der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen über einen Zeitraum von mehr als zwei bis drei Jahren nicht mehr so "kritisch gesehen". Die Teilgemeinschaftspraxis war bisher und wird auch in Zukunft (bedingt durch das VÄndG sowie die entsprechenden Regelungen in § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV) nur von untergeordneter Bedeutung sein.

Forum 3: Sanierungsleitfaden für die Arztpraxis

Der Insolvenzverwalter Thomas Uppenbrink kurzweiligen Vortrages, dass die meisten Praxisinhaber zwar über eine hervorragende ärztliche Kompetenz verfügen würden, aber das Wissen um betriebswirtschaftliche Zusammenhänge oft nur rudimentär ausgeprägt sei bzw. das Interesse daran gar nicht erst bestehe. Umso mehr sei es die Aufgabe des fachkundigen Steuerberaters eventuelle Schieflagen zu erkennen, auf sie aufmerksam zu machen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Punkte, die in einem Sanierungskonzept enthalten sein müssen, sind: Beschreibung der Praxis, Analyse der Praxis (Krisen- und Ursachenanalyse! Herausarbeitung der Schwachstellen und Einschätzung des Insolvenzrisikos), Leitbild/künftiges Erscheinungsbild der Praxis, Sanierungsmaßnahmen und eine Planverprobungsrechnung (zahlenmäßige Darstellung des Sanierungsprozesses: Umsatz-, Ertrags- und Liquiditätsplanung; Planbilanzen; Finanzierbarkeit der Maßnahmen). Bei frühzeitiger Krisenerkennung besteht die Möglichkeit einer außergerichtlichen Sanierung, die grundsätzlich vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens angestrebt werden sollte. (Der Arzt behält seine Handlungsfreiheit und seinen guten Ruf). Aber es ist insofern Vorsicht geboten, als beim Ausbleiben nachhaltiger zukünftiger Sanierungserfolge sich für den Schuldner und seinen Berater gegebenenfalls Schadensersatzpflichten ergeben können, die im Rahmen der Anfechtung des späteren Insolvenzverwalters u.U. gestellt werden (Der Steuerberater kann z.B. nicht glaubwürdig versichern, dass eine Insolvenz nicht absehbar war, wenn seine eigenen Rechnungen vom Mandanten über einen längeren Zeitraum nicht mehr bezahlt wurden). Bei der außergerichtlichen Insolvenz muss auch zwingend in die Kalkulation mit einbezogen werden, dass ein außergerichtlicher Vergleich mit den Gläubigern einen außerordentlichen steuerlichen Ertrag darstellt, der grundsätzlich zu versteuern ist! Sollte es trotz aller Bemühungen zu einem gerichtlichen Insolvenzverfahren kommen, sollten der Arzt und sein Berater mit ihrem sorgfältig ausgearbeiteten Sanierungskonzept direkt zu dem Richter gehen, um die Chance, einen fachkundigen Insolvenzverwalter zu erhalten, zu erhöhen.

Forum 4: Medizinisches Versorgungszentrum im Praxistest

Ra Dr. Joachim Kasper informierte mit einigen aktuellen Zahlen zu den bereits existierenden MVZs: am 30.09.2006 gab es 562 MVZ mit 1.365 angestellten Ärzten und 818 freiberuflich tätigen Vertragsärzten. (Im Durchschnitt sind "nur" 4 Ärzte in einem MVZ tätig). Einer Analyse der KBV zufolge waren 59% der MVZs in reiner Trägerschaft von Vertragsärzten, 28% in reiner Trägerschaft von Krankenhäusern, 2% in gemeinsamer Trägerschaft von Vertragsärzten und Krankenhäusern und 11% in sonstiger Trägerschaft. Ab dem 01.01.2007 gibt es u.a. zwei Neuerungen: zum einen wird die Gründung eines MVZs dadurch erleichtert, dass für das Merkmal der "fachübergreifenden Leistungserbringung" bereits zwei verschiedene Schwerpunkte einer Facharztbezeichnung ausreichen und zum anderen wurde der § 20 Ärzte-ZV dahingehend geändert, dass die sogenannte "Doppelbeschäftigung" eines Vertragsarztes (Tätigkeit als Vertragsarzt und gleichzeitige Beschäftigung in oder in Zusammenarbeit mit einem Krankenhaus) ermöglicht wird. Über die Klarstellung in § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV ist es nunmehr auch gewährleistet, dass dies ebenfalls für Ärzte im MVZ gilt: ein Arzt kann als Angestellter gleichzeitig in einem Krankenhaus und in einem MVZ arbeiten. Es gilt jedoch weiterhin der § 20 Abs.1 Ärzte-ZV, der die Beschäftigung im Krankenhaus auf ein Drittel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschränkt (laut BSG 13 Stunden). Ein weiteres Thema des Forums war die Frage nach den verschiedenen Möglichkeiten, eine Apotheke sinnvoll in ein MVZ einzubinden. Aufgrund des "Fremdbesitzverbotes" kann ein MVZ nicht selbst eine Apotheke betreiben. Allerdings besteht für eine Apotheke als sogenannter zugelassener Leistungserbringer die Option, ein MVZ als Gründer mit aufzubauen (hierbei müssen jedoch die strengen Vorgaben des ärztlichen Berufsrechts und des Apothekenrechts im Auge behalten werden).

Fazit

Der Gesundheitsmarkt im engeren als auch im weiteren Sinne ist ein Wachstumsmarkt. Auch bzw. insbesondere vor dem Hintergrund der in Zukunft wegfallenden Zulassungsbeschränkungen (für Zahnärzte ab dem 01.04.2007, für Ärzte vermutlich in drei bis vier Jahren) bleibt abzuwarten, welche der vielfältigen Versorgungsformen und Kooperationsmöglichkeiten betriebswirtschaftlich sinnvoll sind und sich demzufolge am "Markt" durchsetzen können.


Autoren des Artikels:

Dr. Detlev Nies
öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen

Katja Nies
Diplomvolkswirtin
Sachverständige für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen


Sachverständigensozietät Dr. D. Nies und K. Nies